In jeder Gesellschaft werden Menschen Häuser bauen, Nahrungs- und Lebensmittel produzieren. Dagegen zu protestieren, ist natürlich sinnlos. Doch wir meinen, daß Arbeit nur eine spezielle, geschichtlich entstandene Form ist, wie Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen:
Ziel des Kapitals und demnach auch der Arbeit ist nicht die Befriedigung irgendwelcher konkreter Bedürfnisse, sondern die ständige Anhäufung von Geld. Wir kennen den Spruch zur Genüge: "Es muß sich rechnen." So werden z.B. trotz Bedarf keine Häuser gebaut, wenn kein Geld da ist, obwohl es Menschen gibt, die das notwendige Wissen und die Zeit haben, und obwohl reichlich Rohstoffe und Maschinen zur Verfügung stehen. Arbeit hat also objektiv den Erwerb von Geld zum Ziel und nicht die Befriedigung konkreter Bedürfnisse. Arbeit und konkrete Bedürfnisse sind dem Diktat der Finanzierbarkeit unterworfen. Ein Skandal: die menschliche Existenz muß sich rechnen! Nur wer seine Ware Arbeitskraft verkaufen kann, darf existieren. Was aber auch heißt, daß, wer seine Arbeitskraft nicht verkauft, auch nicht existieren kann.
Mit den Rationalisierungsprozessen im Rahmen der zunehmenden Computerisierung wird der Verkauf der Ware Arbeitskraft aber immer mehr überflüssig. Das System der Arbeit gerät in die Krise. Als fatale Folge rennen die Menschen der wenigen Arbeit nach und tun sie zu den unmöglichsten Bedingungen. Denn je handgreiflicher diese Krise wird, um so hartnäckiger wird der bedingungslose Glaube an die Arbeit eingefordert.
Jedes Kind weiß, daß es nie wieder Vollbeschäftigung geben wird, trotzdem wird diese Tatsache nicht offen ausgesprochen. Öffentlich werden tolle Konzepte ausgeheckt, die die Arbeitslosigkeit bekämpfen sollen. Doch diese politischen Konzepte messen sich von vornherein am Kriterium des Mediums, in dem sich Arbeit darstellt: im Geld. Jedes noch so gut gewollte Konzept muß vor den Richterstuhl der Finanzierbarkeit in Demut versinken. Als wenn dies nicht schon Zumutung genug wäre, kann im Fall einer Nichtfinanzierbarkeit jede Schweinerei durchgesetzt werden. Hinter vorgehaltener Hand wird selbst von den Vertretern dieser traurigen, politischen Konzepte zugestanden, daß daran nicht wirklich geglaubt wird.
Zu dem System der Heuchelei gesellt sich das System der Repression: Beide vereinen sich in den Institutionen Arbeitsamt und Sozialamt. Maßnahmen wie PSA , Arbeitsleihfirmen, Billiglohn, Ich-AG, sinnlose Fort- und Ausbildungsmaßnahmen sind nichts weiter als Lügen, um den Zwang der Arbeit aufrecht erhalten zu können, denn wer glaubt nach der dritten Massnahme noch ernsthaft, je wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt zu werden? Die Schweinerei des Hartz-Konzeptes ist nur ein weiterer Schritt in Richtung sozialer Apartheid.
Dumpfe und unterschwellig angsterfüllte Ressentiments machen sich unter denen breit, die ihre Ware Arbeitskraft noch verkaufen können. Sozialdarwinistisch wird den Herausgefallenen Schmarotzertum vorgeworfen und zynisch empfohlen, zu arbeiten. Irgendwie wird nur zu deutlich gespürt, das das Titanic-Boot der Arbeit kleiner wird und zunehmend weniger Platz zum Rudern ist.
Uns geht es aber nicht darum, einseitig für diejenigen Partei zu ergreifen, die keine Arbeit mehr haben. Das System der Arbeit ist nicht nur für die Ausgeschlossenen eine Zumutung, sondern auch für die Eingeschlossenen. Unter dem Diktat des Sich-Rechnen-Müssens sind die meisten Tätigkeiten eine einzige Zumutung. Acht und mehr Stunden täglich dieselben stupiden und nervtötenden Handlungen wiederholen, das ist die Realität der meisten arbeitenden Menschen. Und selbst die Wenigen, denen ihr Beruf Spaß macht, werden zugestehen, daß ohne den Zwang der finanziellen Rentabilität die Tätigkeit vollkommen anders aussehen würde.
Was ansteht ist ein Bündnis gegen die Arbeit, ein Bündnis von Arbeitenden und Nichtarbeitenden, ein Bündnis für die Bedürfnisbefriedigung von Menschen. Es muß gebrochen werden mit dem Prinzip der Arbeit, mit dem Finanzierbarkeitskriterium, mit dem Prinzip betriebswirtschaftlicher Effektivität, daß zunehmend Menschen von ihrer Bedürfnisbefriedigung abschneidet, ihre Existenz gefährdet und viele Menschen zu sinnlosen Tätigkeiten zwingt. Ein erster Schritt für ein Bündnis gegen Arbeit wäre eine öffentliche Diskussion, um die Unhaltbarkeit des System der Arbeit.
Wir versprechen kein Schlaraffenland, aber wir sind sicher, dass eine Gesellschaft möglich ist, in der die konkrete Bedürfnisbefriedigung von Menschen im Mittelpunkt steht und nicht das Geld, denn Kapitalismus ist kein Naturgesetz.
Wenn es das Prinzip der Arbeit ist, das die menschliche Existenz in Frage stellt, dann ist es höchste Zeit, das Prinzip der Arbeit in Frage zu stellen.